Für jede politische Partei ist es wichtig, sich von Zeit zu Zeit infrage zu stellen. Angesichts der schleichenden Stimmenverluste bei nationalen Wahlen und insbesondere angesichts des schlechten Abschneidens bei den diesjährigen Europawahlen ist diese Praxis für die LSAP umso signifikanter.
Die neue, seit Ende März amtierende Parteiführung hat aus diesem Grund eine breite, umfassende parteiinterne Konsultation initiiert. In zahlreichen Gesprächen und Diskussionen mit der Parteibasis und nicht zuletzt im Rahmen ihrer diesjährigen Sommerakademie hat sich die LSAP offen und rigoros mit ihrer politischen Orientierung, ihrer Organisation und Funktionsweise sowie ihrer internen wie externen Kommunikation auseinandergesetzt. Dabei hat die Partei versucht eine Antwort auf die Frage zu finden, was Sozialisten heutzutage sind.
Diese Frage ist aber nicht nur in Luxemburg, sondern auch in unseren Nachbarländern relevant. Denn auch dort büßen die sozialistischen und sozialdemokratischen Parteien zusehends an Zustimmung ein. Die Gründe für diese Verluste sind vielfältig, zum Teil sicherlich auch nationalen Ursprungs. Überwiegend sind diese aber in den soziologischen Veränderungen (Entwicklung vom Industrie- oder Postindustriezeitalter in ein Dienstleistungszeitalter) sowie dem gesellschaftlichen Wertewandel (angestrebt wird nur noch die persönliche Selbstverwirklichung und nicht mehr das Wohl des Kollektivs) zu finden. Ein weiterer Grund stellt die zunehmende thematische Konkurrenz von Parteien und Gruppierungen aus dem politisch linken Spektrum genau wie aus der politischen Mitte dar, was eine Einengung der politischen Positionierung zur Folge hat.
Für die luxemburgischen Sozialisten kommt noch hinzu, dass bedingt durch die sukzessiven Regierungsbeteiligungen der letzten Jahre, ihre parteieigenen Positionen kaum oder überhaupt nicht mehr als solche von den Bürgern und Wählern wahrgenommen werden. Allzu oft werden Koalitionsprogramm und Parteiprogramm in und von der Öffentlichkeit gleichgestellt.
Es gilt deshalb für die LSAP, ihre Identität durch die Promotion eigener Themen und Inhalte zu stärken, um trotz Regierungsbeteiligung wieder als eigenständige Partei wahrgenommen und geschätzt zu werden. Dies setzt sowohl eine bessere Kommunikation als auch eine Reform der Parteistrukturen voraus.
Die LSAP war und ist heute immer noch eine Partei, die prioritär die Auswüchse des ungezügelten, menschenverachtenden Kapitalismus bekämpft. In diesem Sinne verteidigen die Sozialisten damals wie heute die Interessen der Arbeitnehmer. Zu diesem Zweck, und will die Partei nationale Verantwortung tragen, muss sie ein ganzheitliches politisches Bild zeichnen. Will heißen: die Sozialisten dürfen die Wirtschaft nicht außer Acht lassen, müssen aber dafür Sorge tragen, dass diese so ausgerichtet wird, dass sie im Dienste der Menschen steht und nicht umgekehrt. Die Sozialisten werden demnach weiterhin für Fortschritt gepaart mit Freiheit, Demokratie und Gerechtigkeit, für die Schwächsten in unserer Gesellschaft, eintreten. Mit ihrer politischen Ausrichtung und der Kohärenz von Werten und Taten wird die LSAP sich deutlich von anderen Parteien differenzieren.
Um dieses Gesellschaftsmodell aber vorantreiben zu können, müssen die Sozialisten zukünftig wieder verstärkt die Nähe zu ihren natürlichen Partnern suchen: zu den Gewerkschaften im Einzelnen und zur Zivilgesellschaft im Allgemeinen. Denn das übergeordnete Ziel einer sozialistischen Partei ist nicht eine Regierungsbeteiligung, sondern bleibt eine bessere, gerechtere, sozialere, freie Gesellschaft.
Die LSAP hat ihren parteiinternen Reformprozess soeben begonnen. Es gibt viel zu tun, aber wir packen es an!
Artikel erschienen im Lëtzebuerger Land am 19.12.2014